Stärke die Verbindung

zu deinem Kind 

Bedürfnisorientierte Elternschaft Umsetzen

Schritt 1 in der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern: So wirst du zur Expertin der Beobachtung

Es ist 5:30 Uhr.

Nach einer schlaflosen Nacht schrillt Marias Wecker.

Widerwillig steht sie auf und geht in die Küche.

Erstmal einen Kaffee. Am schimmernden Boden der Kaffeedose erblickt sie ihr Spiegelbild.
Das ist nicht nur furchtbar, weil der Kaffee alle ist. Sondern auch, weil ihr der Schlafmangel mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben steht.

Also begibt sich Maria ohne Kaffee zu ihrer 7-jährigen Tochter, um sie zu wecken. Sie öffnet die Tür und macht den ersten Schritt in ihr Zimmer. Weit kommt sie nicht. Denn schon beim zweiten Schritt wird Maria unsanft mit den Gesetzen der Schwerkraft konfrontiert.

Sie tritt auf ein Skateboard und legt einen rekordverdächtigen und gleichzeitig schmerzhaften Spagat hin. Der Lärm, den sie dabei veranstaltet, weckt ihre Tochter.

Ein schrilles: „Maaaaamaaaaa. Geh weg! Ich will schlafen!“

gibt ihr den Rest und lässt Maria alle guten Vorsätze der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern vergessen.

Gereizt bellt sie ihre Tochter an:

Du bist so unordentlich.
Immer liegen deine Spielsachen überall herum.
Kannst du nicht ein Mal richtig aufräumen?
Du treibst mich in den Wahnsinn!
Außerdem ist es schon spät. Steh endlich auf, sonst verpasst du den Bus.

Maria erkennt augenblicklich, dass diese Sätze nicht wirklich wertschätzend sind.

Ich habe noch nie ein dummes Kind gesehen

"Ich habe schon mal ein Kind gesehen, das hin und wieder etwas gemacht hat, was ich nicht verstand, oder etwas anders gemacht hat, als ich geplant hatte;

ich habe schon mal ein Kind gesehen, das nicht dieselben Orte kannte wie ich, aber das war kein dummes Kind.

Bevor du sagst, es wäre dumm, denk’ mal darüber nach, war es ein dummes Kind, oder hat es einfach nur andere Sachen gekannt als du?"

Ruth Bebermeyer


So nutzt du die Kraft der Beobachtung

Kennst du solche Situationen?

Du bist Bedürfnismäßig in einem absoluten Mangelzustand.

Bist genervt und frustriert. Trotzdem musst du funktionieren. Aber musst du wirklich?

Nein. Gar nichts musst du. Stattdessen hast du die Wahl.

Gewaltfreie Kommunikation bedeutet auch die Freiheit, Entscheidungen zu treffen. Und zwar Entscheidungen, die dir dienen.

Der erste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation ist die Beobachtung.

Diese kannst du nutzen, um Abstand zu gewinnen.

Die Beobachtung ist der Puffer zwischen einem Ereignis und deiner Reaktion. 

Die Beobachtung sorgt für Klarheit. Sie trägt dazu bei, dass Konfliktsituationen geklärt werden können, indem jede*r Beteiligte aus seiner oder ihrer Sicht berichten kann, wie er oder sie die Situation erlebt hat.

Damit du und deine Familie die Geschenke der Beobachtung erhalten können, habe ich in diesem Artikel den ersten Schritt der Gewaltfreien Kommunikation mit Kindern für dich näher unter die Lupe genommen.

Viel Freude beim Lesen 🙂

Die 2 wichtigsten Merkmale der Beobachtung

Eine GFK-konforme Beobachtung hat im wesentlichen 2 Merkmale. 

#1 Neutral

#2 Wertfrei

Was bedeutet das?

Eine Beobachtung ist neutral, weil sie keine Partei ergreift. 

Was würde eine Kamera zeigen, wenn sie diese Situation aufzeichnen würde?

Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern

Natürlich liegt es der besagten Kamera fern, eine Bewertung des Geschehens vorzunehmen.

Für dich bedeutet das:

Beschreibe den Hergang genauso, wie deine Augen ihn gesehen haben.

Wir bewerten fast automatisch die Dinge, die wir sehen. 

Eine wertfreie Beobachtung erfordert daher ein gewisses Maß an Achtsamkeit. 

Trenne daher bewusst deine visuelle Wahrnehmung von allen Assoziationen und Zuschreibungen, die möglicherweise in dir entstehen, sobald du die Situation wahrnimmst.

Es ist nicht falsch, sondern natürlich, dass wir die Dinge um uns herum in Schubladen stecken und bewerten. Verurteile dich nicht dafür. Nimm stattdessen diesen Vorgang einfach wahr. 

Ein guter Hinweis für eine gelungene Beobachtung ist, dass sich niemand verletzt fühlt.

Eben, weil die Beobachtung neutral ist. Dennoch kann es natürlich vorkommen, dass sich dein Gegenüber trotz einer korrekt formulierten Beobachtung verletzt fühlt. 

Beobachtbar sind zum Beispiel Verhaltensweisen, sichtbare körperliche Reaktionen oder Worte. Also alles, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können.

Dagegen sind beispielsweise charakterliche Eigenschaften, Gefühle oder Gedanken anderer Menschen nicht direkt beobachtbar.

Darüber können wir lediglich Vermutungen anstellen. Wenn wir jedoch diese nicht beobachtbaren Faktoren als wahr definieren (du bist wütend, du denkst schlecht über mich), dann ist das eine Interpretation.

Beispiele:

„Das Glas ist heruntergefallen und dann zerbrochen.“ statt „Du bist so ungeschickt.“

„Die Hausaufgaben sind noch nicht erledigt.“ statt „Du drückst dich um die Hausaufgaben.“

„Ich sehe, wie du auf dem Boden sitzt und mit den Bausteinen spielst.“ statt „Nie hörst du auf mich, wenn ich dir sage, du sollst aufräumen.“

Konzentriere dich bei der Beobachtung auf ZDF. Zahlen, Daten und Fakten.

Lasse alle mit der Beobachtung verbundenen Gefühle, Erinnerungen, Assoziationen, Bewertungen und Interpretationen weg. 

Du kannst den ersten Schritt der Gewaltfreien Kommunikation auch hervorragend nutzen, um einen Streit zu klären. Zum Beispiel bei Geschwisterstreit oder einem Konflikt zwischen mehreren Kindern.

Lass dir von jedem Kind erzählen, was er oder sie gesehen und gehört hat. 

Dadurch wird jede*r gehört und du hast die Möglichkeit, die Situation aus anderen Perspektiven zu sehen.

Was du bei der Beobachtung vermeiden solltest

Damit die Gewaltfreie Kommunikation nicht bereits beim ersten Schritt scheitert, gibt es ein paar Dinge, die es zu vermeiden gilt. Das heißt natürlich auf keinen Fall, dass Fehler bestraft werden.

Sie es als Experiment. Und finde selbst heraus, was am besten funktioniert.

Entschiede dich für den Weg der Leichtigkeit.

Vermeide diese Kommunikationsblockaden:

<img decoding=“ />Interpretationen

Stell dir vor du hältst vor einer Gruppe einen Vortrag. Nach 10 Minuten beginnen 3 Leute nacheinander zu gähnen. Wenn du nun davon ausgehst, dass dein Vortrag zum Einschlafen langweilig ist, dann hast du es mit einer klassischen Interpretation zu tun.

Wenn du mal achtsam dir selbst und den Menschen in deinem Umfeld zuhörst, wird dir auffallen, dass wir sehr oft interpretieren.

Dabei können die Gründe für bestimmte Verhaltensweisen sehr unterschiedlich sein. Daher lassen wir sicherheitshalber die Interpretationen weg und bleiben bei der neutralen Beobachtung der Situation.

<img decoding=“ />No: „Mein Vortrag macht die Zuhörer müde.“

<img decoding=“ /> Go: „3 Menschen haben nacheinander gegähnt.“

<img decoding=“ /> Bewertungen und Urteile

Wie die Interpretation so steht auch die Bewertung im Ranking der Kommunikationsblockaden weit oben. Manchmal könnte man glauben, wir lieben es, die Dinge zu bewerten. Als ich angefangen habe, mich mit der GFK zu beschäftigen war ich entsetzt, wie oft ich mich selbst oder andere bewerte. Dabei sind Bewertungen alles andere als förderlich. Vor allen Dingen, wenn es um die Klärung von Konflikten geht. 

Bewertungen sind Merkmale der statischen Sprache. Etwas ist so. Dabei handelt es sich um einen Irrtum. Denn wie die Dinge sind, liegt nicht zuletzt im Auge des Betrachters. Es sei denn, es handelt sich um das Ergebnis einer Matheaufgabe. 

Eigenschaften wie faul, unordentlich, langweilig, interessant, dick, dünn brauchen ein Vergleichsobjekt. Ab wann ist ein Kind nicht mehr faul, sondern fleißig? Und wer bestimmt das?

<img decoding=“ /> No: „Du bist unordentlich.“

<img decoding=“ /> Go: „Deine Kleidung liegt auf dem Fußboden.“

<img decoding=“ /> Verallgemeinerungen

Verallgemeinerungen führen oft zu Streit. Dann verstricken wir uns in ewige Wortgefechte, die eine gemeinschaftliche Lösung der Situation in weite Ferne rücken lassen. Lasse Verallgemeinerungen wie immer, nie, jedes Mal oder ständig  einfach weg. Stattdessen konzentriere dich auf ZDF. Zahlen, Daten, Fakten.

<img decoding=“ /> No: „Immer liegen deine Spielsachen herum.“ 

<img decoding=“ /> Go: „Deine Spielsachen liegen seit letzter Woche im Wohnzimmer.“

<img decoding=“ /> Gefühle

Ja, auch die Gefühle haben im ersten Schritt nichts verloren. Denk daran, dass wir bei der Beobachtung neutral und wertfrei bleiben. Wie eine Kamera. Und eine Kamera kann nun mal keine Gefühle aufzeichnen. 

Wir können bei anderen Menschen zwar bestimmte Gefühle vermuten. Aber nicht sicher beobachten. Allerdings können wir die körperlichen Reaktionen unseres Gegenübers beobachten und beschreiben.

Außerdem ist es wichtig, dass wir die ersten beiden Schritte der Gewaltfreien Kommunikation (1. Beobachtung und 2. Gefühl) nicht miteinander vermischen. 

<img decoding=“ /> No: Dein Verhalten macht mich traurig.

<img decoding=“ /> Go: Ich habe dich „Blöde Mama“ sagen hören.

<img decoding=“ /> Richtig und falsch

Was richtig und falsch ist, verändert sich. Es sind keine objektiven Wahrheiten. Ob etwas richtig oder falsch ist, liegt erstens im Auge des Betrachters und zweitens in den persönlichen Wertvorstellungen. Diese Wertvorstellungen können sich verändern. Wenn du deine Perspektive änderst, verändert sich auch die Wahrnehmung, was richtig oder falsch ist. 

Indem du davon ausgehst, dass dein Verhalten richtig ist und das deines Kindes falsch ist, dann wirst du dieses Verhalten verändern wollen. Aber woher weißt du, dass deine Sicht auf die Dinge richtig ist?

Jenseits von richtig und falsch ist ein Ort. Lasst und dort treffen. Rumi

Die folgenden Faktoren wirken eher trennend, statt verbindend. Sie können zwar den oben genannten Kategorien zugeordnet werden. Dennoch möchte ich sie der Vollständigkeit halber erwähnen: 

<img decoding=“ /> Vergleiche

<img decoding=“ /> Schubladendenken

<img decoding=“ /> Kritik

<img decoding=“ /> Beleidigungen und Entwertungen

<img decoding=“ /> Erwartungen

Jetzt denkst du vielleicht: Wow. Beim ersten Schritt gibt es ziemlich viele Regeln. Bitte lass dich davon nicht entmutigen. Die Auflistung möchte dir bewusst machen, was den Flow unterbrechen könnte.

Außerdem geht es nicht darum, es möglichst richtig zu machen. Genauso wenig ist es angebracht, vermeintliche Fehler zu bestrafen, indem du dich oder andere verurteilst.

<img decoding=“ /> Du hast dich dafür entschieden, einen friedlichen Umgang mit deinem Kind zu etablieren. Und das darfst du feiern!  

Drei einfache Übungen, die deine Fähigkeit zur wertfreien Beobachtung verbessern

1. Beobachtung vs. Bewertung

Nimm dir Zettel und Stift und schreibe jeweils 5 Beobachtungen über dich selbst auf. Schreibe anschließend 5 Bewertungen über dich auf. 

Zusätzlich kannst du jeweils 5 Beobachtungen und Bewertungen über dein Kind und ein weiteres Familienmitglied aufschreiben.

Diese Übung dient dazu, ein Gefühl für die wertfreie Beobachtung zu bekommen.

2. Was hat sich verändert?

Bei dieser Übung kann die ganze Familie mitmachen. Ganz nebenbei erfüllst du damit das Bedürfnis nach Gemeinschaft 😉 

Zunächst befinden sich alle in einem Raum. Eine Person verlässt nun den Raum. Während diese draußen wartet, wird eine Sache verändert.

Zum Beispiel werden bestimmte Kleidungsstücke getauscht. Anschließend wird die Person wieder hereingebeten und versucht die Veränderung zu erraten.

Variante A: Es werden Dinge im Raum verändert. Achtung! Hoher Schwierigkeitsgrad. Um es zu vereinfachen, könnt ihr euch darauf einigen, dass nur Dinge mit der Farbe Blau verändert werden dürfen.

Variante B: Alle sitzen im Kreis. Eine Person geht in die Mitte und nimmt eine bestimmte Körperhaltung ein. Nun schließen alle im Kreis die Augen oder verlassen wahlweise den Raum.

Die Person in der Mitte ändert nun ihre Körperhaltung und wahlweise einige Dinge an der Kleidung. Nun versuchen die übrigen Mitspieler*innen zu erraten, was verändert wurde.

3. Bilddiktat

Der Spaß dieser Übung wächst mit der Anzahl der Teilnehmerinnen 😉

Nimm dir einige einfache Bilder. Wahlweise geht auch eine Ansammlung von verschiedenen geometrischen Formen.

Zum Beispiel ein kleines und ein großes Dreieck, daneben ein Kreis uns so weiter.

Die übrigen Mitspieler*innen dürfen das Bild nicht sehen.

Beschreibe nun möglichst detailgetreu und wertfrei, was du auf dem Bild siehst. 

Die übrigen Mitspieler*innen malen und zeichnen, was sie hören.

Anschließend vergleicht ihr die entstandenen Kunstwerke mit dem Original. Achtung! Auch dies geschieht wertfrei 😉

 

Viel Freude beim Ausprobieren! 

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